Haftpflichtversicherung zwischen Freizeit und Beruf
Wer eine allgemeine Haftpflichtversicherung abschließt, fühlt sich im Alltag sicher und gut aufgehoben. Schließlich hat man doch gegen das finanzielle Risiko von Schadenersatzansprüchen vorgesorgt. Wie trügerisch diese Ansicht sein kann, zeigen Beispiele aus der Praxis. Eltern, deren Kinder jünger als zehn Jahre sind, haben in einigen Gesellschaften Pech. Und wer an einem Radrennen teilnimmt, sollte sich nicht auf die Leistungsbereitschaft des eigenen Haftpflichtversicherers verlassen – sondern muss sich auf böse Überraschungen gefasst machen.
Schadenersatz kommt nur für Privatpersonen in Frage
Denn aufgrund der vielschichtigen und teilweise umfangreichen Leistungsausschlüsse drohen Stolperfallen, an die viele Versicherungsnehmer im ersten Moment vielleicht gar nicht gedacht haben. Hinzu kommt eine weitere Tatsache: Viele Verbraucher gehen mit Versicherungsbedingungen und Risikobestimmungen nachlässig um. Beschränkungen des Geltungsbereichs der Haftpflichtversicherung bleiben solange unerkannt, bis es zu spät ist. Dabei lassen sich einige Hürden bereits mit einem oberflächlichen Blick erkennen – wie die Tatsache, dass eine Privathaftpflichtversicherung einen einzigen Zweck verfolgt, nämlich die Versicherung von Privatpersonen. Bereits Ziff. 1 der Muster-Bedingungsstruktur IX des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft spricht in diesem Zusammenhang eine mehr als eindeutige Sprache: Versichert werden Gefahren des Alltags von Privatpersonen und nicht Gefahren:
- eines Betriebes oder Berufes
- eines Dienstes, Amtes (einschließlich Ehrenamt)
- einer verantwortlichen Arbeit in Vereinigungen und
- einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung.
Bereits hier lässt sich erahnen, in welchen allgemeinen Grenzen sich der Geltungsbereich der Privathaftpflichtversicherung bewegt.
Speziell die Grenze zwischen Freizeit und Beruf sollten Versicherungsnehmer sehr scharf ziehen, da der Geltungsbereich ihrer Haftpflichtversicherung genau hier endet. Und die Haftpflichtversicherung schließt damit auch Leistungen wegen Schäden an fremden Sachen aus – wenn diese im Rahmen der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit beschädigt bzw. vernichtet werden. Dies betrifft einerseits deren Bearbeitung – aber auch deren Einsatz als Werkzeug.
Tipp: Die auf den ersten Blick einleuchtende Trennlinie kann in der Praxis weniger scharfe Konturen annehmen. Bestes Beispiel sind die seit Jahren immer häufiger anzutreffenden Solaranlagen zur Stromerzeugung. Durch die Einspeisung ins öffentliche Netz werden deren private Betreiber zu Gewerbetreibenden – und sollten die Unterscheidung zwischen Beruf/Gewerbe und ihrer Stellung als Privatperson in der Haftpflichtversicherung im Auge behalten.
Aber auch in der Freizeit ist man nicht immer auf der sicheren Seite. Denn gerade die Definition der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung erweist sich in der Praxis als nicht immer einfach. Und dennoch ist es sinnvoll, sich in diesem Zusammenhang einige Gedanken zu machen. Folgt man einigen Literaturempfehlungen zu diesem Thema, verläuft die Grenze hier entlang dem Wissens- und Kenntnisstand eines „durchschnittlich verständigen und geschickten Laien“. Solange dieser in der Lage ist, eine Betätigung ohne Probleme auszuführen/auszuüben, wäre das Vorliegen einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung zu verneinen. Geht der Anspruch, den die Betätigung mit sich bringt, darüber hinaus, wird davon auch der Geltungsbereich einer Haftpflichtversicherung davon berührt.
Heimwerker: Trotz Haftpflichtversicherung schutzlos?
Warum sollte man sich als Privatperson mit dieser Frage überhaupt befassen. Angenommen, ein Versicherungsnehmer errichtet auf dem eigenen Grund und Boden ein Gartenhaus mit Unterkellerung – in Eigenleistung. Dass für eine entsprechend tiefe Gründung nötige Equipment (Bagger usw.) und Fachwissen übersteigt die Kenntnisse eines Laien bei Weitem. Trotzdem wagen sich hierzulande jedes Jahr unzählige Eingenheimbesitzer in Eigenregie an Baumaßnahmen rund um die eigene Immobilie bzw. das eigene Grundstück – auch wenn es um das Anlegen neuer Wege, Zufahrten und eine Auskofferung (z. B. für das Anlegen neuer Sickergruben und Wasser-/Abwasserkanäle) geht. Die Folge: Durch das Wirken der entsprechenden Klauseln in der Haftpflichtversicherung und die Unwissenheit zu deren Tragweite riskieren Jahr für Jahr die betroffenen Haushalte ihren Versicherungsschutz gegenüber Schadenersatzforderung.
Denn was passiert, wenn man bei der Auskofferung für das Gartenhausfundament plötzlich den einige Jahre zuvor verlegten Abwasserkanal trifft, über den hinter dem eigenen Grundstück gelegene Eigenheime ans öffentliche Netz angeschlossen werden? Folgt man der Muster-Bedingungsstruktur IX des GDV, die in ähnlicher Weise in den Versicherungsbedingungen der meisten Gesellschaften auftaucht, wären die hierdurch entstehenden Schadenersatzansprüche kein Fall für die Haftpflichtversicherung. Die Folge: Versicherungsnehmer müssen auf das eigene Vermögen zurückgreifen – oder ziehen gegen ihren Versicherer wegen dessen Verweigerungshaltung vor Gericht. Denn ob tatsächlich eine ungewöhnliche bzw. gefährliche Beschäftigung vorlag und die Ablehnung der Schadensregulierung rechtfertigt, lässt sich mitunter erst vor Gericht klären. So musste ein Versicherungsnehmer wegen drei selbst gefällter Bäume (von denen einer zu Schadenersatzforderungen von knapp 7.200 Euro führte) erst bis zum Bundesgerichtshof gehen, um die Frage zu klären, inwiefern die Baumfällarbeiten einer „ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung“ entsprechen – oder (wie der BGH urteilte) nicht
Es macht aus Sicht vieler Versicherungsnehmer also durchaus Sinn, gerade im Bereich des Heimwerker-Daseins etwas tiefer in die Feinheiten des Versicherungsrechts und dessen Auswirkungen einzutauchen. Darüber hinaus endet der Geltungsbereich einer Privathaftpflichtversicherung aber noch an ganz anderen Stellen. Wer die Risikobeschreibungen der Gesellschaften bzw. die Muster-Bedingungsstruktur IX genauer liest, stößt auf weitere Ausschlüsse für den Freizeitbereich, die zum Beispiel die Teilnahme an Sportveranstaltungen betreffen. Durch Ziffer 1.5 werden nicht nur das Training und Teilnahme an Pferde- und Kraftfahrzeugrennen aus dem Geltungsbereich der Privathaftpflichtversicherung herausgestrichen. Selbst der Radsport genießt – zumindest unter Anwendung der Musterbedingungen – keinen Versicherungsschutz mehr.
Hinweis: In den Versicherungsbedingungen der einzelnen Versicherer werden die Ausschlüsse für Rad-, Pferde- und Kraftfahrzeugrennen mitunter aufgeweicht – zumindest in Bezug auf das Training für Radsport-Veranstaltungen. Dieses kann durch die Risikobeschreibungen – abweichend vom Wortlaut der Versicherungsbedingungen – in den Geltungsbereich einzelner Haftpflichttarife aufgenommen werden.
Aus Sicht vieler Versicherungsnehmer dürfte an dieser Stelle eine Tatsache auf Unverständnis stoßen: Ist laut den Musterbestimmungen des GDV bereits die Vorbereitung auf ein Radsportrennen aus dem Geltungsbereich herausgelöst, fallen Schadenersatzansprüche durch den Besitz von Hieb-, Stoß- und Schusswaffen sowie Munition und Geschossen darunter. Und diese auf den ersten Blick ungewöhnliche Formulierung bleibt kein bloßer Bestandteil der Musterbestimmungen. Eine entsprechende Klauseln ist in den meisten Bedingungen der Versicherer zu finden. Der (offensichtliche) Tenor: Waffenbesitzer genießen im Vergleich zu Freizeitsportlern einen wesentlich besseren Versicherungsschutz. Vor dem Hintergrund diverser Zwischenfälle im Zusammenhang mit dem Waffenbesitz eine auf den ersten Blick makaber anmutende Tatsache. Allerdings relativiert sich die Situation bei genauer Betrachtung. Denn sowohl der Besitz und Gebrauch von Waffen zum Zweck der Jagd sowie für strafbare Handlungen ist nicht mehr durch den Geltungsbereich der Privathaftpflichtversicherung gedeckt.
Hinweis: Die hier bisher genannten Ausschlüsse von Schadensarten aus dem Geltungsbereich der Privathaftpflichtversicherung umreißen noch kein vollständiges Bild vom Umfang des Versicherungsschutzes. Speziell der Besitz und Gebrauch von Kraft-, See- und Luftfahrzeugen in der Freizeit (z. B. im Rahmen des Modellflugs oder beim Wassersport im Urlaub) sind Gegenstand eigener Abschnitte in den Versicherungsbedingungen des GDV bzw. der Gesellschaften. Gleiches gilt im Übrigen auch für Schadenersatzforderungen, welche durch geliehene, gemietete und geleaste Sachen entstehen.
Ein wichtiger Freizeitbereich, den die Haftpflichtversicherung ebenfalls in besonderer Weise behandelt, betrifft die Haltung von Haustieren. Gerade die Hunde- und Pferdehaltung genießt hier eine Sonderstellung – allerdings nicht unbedingt im positiven Sinn. Beides schließen sowohl die Versicherer wie auch der GDV aus dem Geltungsbereich der Privathaftpflichtversicherung aus – und verlagern die Absicherung in den Bereich gesonderter Tarife mit speziell zugeschnittener Ausschnittsdeckung. Ein Umstand, der für viele Leistungsausschlüsse in der Privathaftpflichtversicherung gilt. Aus Sicht der Versicherungsnehmer lässt sich aus dieser Tatsache ein einfaches Fazit ziehen: Bei der Suche nach einem passenden und adäquaten Haftpflichtschutz ist es durchaus sinnvoll, die eigenen Hobbys zu berücksichtigen – um später nicht genau hier ohne die Schutz der PHV auskommen zu müssen.