Die Haftpflichtversicherung und Kraftfahrzeuge
Schäden können im Alltag auf viele unterschiedliche Arten entstehen – entweder durch ein Missgeschick beim Radfahren, beim Freizeitsport oder durch die Benutzung eines Kraftfahrzeugs. Betrachtet man die Unfallhäufigkeit der letzten Jahre, scheint gerade von diesen ein erhebliches Gefahrenpotenzial auszugehen. Allein 2011 wurden auf deutschen Straßen 2,4 Mio. Verkehrsunfälle registriert. Nicht mitgerechnet sind hier Schäden und Unfälle, die durch andere Kraftfahrzeuge entstehen – wie selbstfahrende Motorgeräte, Wassersportfahrzeuge usw.
Wie behandelt die private Haftpflichtversicherung diesen Bereich? Und fallen Kraftfahrzeuge generell aus deren Geltungsbereich heraus? Grundsätzlich sind Schäden, welche auf die Nutzung von Kraft-, Luft- und Wasserfahrzeugen zurückzuführen sind, nicht über eine Privathaftpflichtversicherung gedeckt. Bereits in der Muster-Bedingungsstruktur IX spricht der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft unter Ziffer 3 eine eindeutige Sprache. Und fasst in den Leistungsausschluss für Kraftfahrzeuge auch Kraftfahrzeuganhänger mit ein. Der Grund für diese rigorose Verweigerung einer Leistungspflicht ist relativ einfach zu finden. In den Augen des Gesetzgebers genießt die Kfz-Haftpflicht besondere Aufmerksamkeit – und hat zur bekannten Versicherungspflicht für alle Halter von Kraftfahrzeugen (die am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen) geführt. Die Existent einer allgemeinen Versicherungspflicht ist aber längst nicht die einzige Besonderheit. Seitens des Gesetzgebers sind klare Grenzen bzw. Leistungssummen festgelegt, an denen sich die Kfz-Haftpflichtversicherung orientieren muss. Gründe, weshalb Kraftfahrzeuge im Geltungsbereich der Privathaftpflichtversicherung eigentlich keine Rolle spielen.
Allerdings gilt an dieser Stelle wieder das berühmte Motto: Ausnahmen bestätigen die Regel. Denn nicht jedes Kraftfahrzeug fällt automatisch unter die Versicherungspflicht im Sinne der Kfz-Haftpflicht. Trotz dieser Tatsache bleiben deren Besitzer im Ernstfall schadenersatzpflichtig. Ohne entsprechende Regelungen entsteht in der Praxis eine gefährlich Deckungslücke. Letztere wird allerdings von der allgemeinen Haftpflichtversicherung geschlossen.
Welche Kraftfahrzeuge sind ein Fall für die PHV?
Aus Sicht der Versicherungsnehmer ist die Feststellung, dass einige Kraftfahrzeuge Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung genießen zwar ein Trostpflaster. Wann und für welche Kraftfahrzeuge gilt der Einschluss in den Geltungsbereich aber konkret? Grundsätzlich werden von dieser Aussage alle Kraftfahrzeuge erfasst, deren Höchstgeschwindigkeit die Grenze von 6 km/h nicht überschreitet. Darüber hinaus nimmt der GDV in den Geltungsbereich einer Privathaftpflichtversicherung auch motorgetriebene (selbstfahrende) Arbeitsmaschinen auf – sofern diese eine Geschwindigkeit von 20 km/h nicht überschreiten.
Kraftfahrzeuge spielen in der PHV laut den Musterbedingungen des Versicherungsverbands aber eine noch viel größere Rolle. Denn auch für Luft- und Wassersportfahrzeuge gelten einige besondere Regeln, wenn es um deren Einschluss in den Geltungsbereich geht. Gerade im Bereich der Luftfahrzeuge nehmen es Modellbauer nicht immer so genau. Dabei sollte die Haftungsfrage speziell im Funktionsmodellbau eine Rolle spielen. Warum? Der Gesetzgeber hat im Luftverkehrsgesetz im Jahr 2005 einige tief greifende Veränderungen vorgenommen. Konnte man sich als Modellpilot bis zu diesem Zeitpunkt zumindest für Fluggeräte mit einem Startgewicht von weniger als fünf Kilogramm (ohne Motor) auf einen Sonderstatus berufen und den Schutz der privaten Haftpflichtversicherung genießen, ist seit 2005 damit Schluss. Denn das Luftfahrtgesetz ist in Bezug auf die Versicherungspflicht mittlerweile deutlich strenger geworden. Nur noch wenige „Luftfahrzeuge“ sind an keine Versicherungspflicht im deutschen Luftraum gebunden.
Die Folge: Klauseln in den Bedingungen zur privaten Haftpflichtversicherung, die den Versicherungsschutz für nicht versicherungspflichtige Luftfahrzeuge anerkennen, sind durch die gesetzlichen Bestimmungen im Geltungsbereich geschrumpft. Inzwischen dürfen sich nur noch Besitzer von Fluggeräten auf den Schutz ihrer Haftpflichtversicherung berufen, die eine Höhe von 30 Metern über Grund nicht überschreiten können. Selbst Drachen mit einer entsprechend langen Führungsleine könnten – wenn man das Zusammenspiel aus Flughöhe, Luftverkehrsgesetz und Privathaftpflichtversicherung streng auslegt – zum Problem für alle Versicherungsnehmer werden. Theoretisch müsste, sofern größere Höhen erreicht werden, eine separate Haftpflichtversicherung mit den vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Deckungssummen abgeschlossen werden.
Tipp: Schließt sich aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen eine Deckung der Haftpflichtversicherung für Modellflugzeuge weitgehend aus, stellt sich die Situation für Modellland- und Modellwasserfahrzeug in einem anderen Licht dar. Hier sieht bereits der GDV die Haftpflichtversicherung in der Pflicht und hat unter Ziffer 3.2 einen entsprechenden Absatz in die Musterbedingungen eingearbeitet.
Wie weit geht der Geltungsbereich einer privaten Haftpflichtversicherung aber im Rahmen von Schäden mit Wassersportfahrzeugen? Sofern es sich um Wassersportfahrzeuge mit Motoren bzw. das eigene Segelboot handelt, sind nach Ansicht des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft die Gesellschaften nicht zur Leistung verpflichtet. In der Muster-Bedingungsstruktur IX werden Leistungsansprüche, welche auf diese Schadensarten zurückgehen, aus dem Schutz der Privathaftpflicht herausgelöst – Versicherungsnehmer haben zumindest entsprechend der Musterbedingungen keinen wirksamen Anspruch auf eine Schadensregulierung bzw. Freistellung. Aber: Andere Wassersportfahrzeuge genießen den Einschluss in den Geltungsbereich der PHV.
Stellung der Privathaftpflichtversicherung bezüglich der Absicherung gegen Schadenersatzansprüche, die durch Kraft-, Luft- und Wassersportfahrzeuge entstehen (die Ausgestaltung des Versicherungsschutzes kann vor dem Hintergrund individueller Versicherungsbedingungen für einzelne Bereiche in bestimmten Tarifen teilweise abweichen)
Hinweis: Auch wenn motorgetriebene Wassersportfahrzeuge eigentlich nicht in die Deckung der privaten Haftpflichtversicherung gehören – der GDV hat eine Ausnahme in die Muster-Bedingungsstruktur IX integriert. Bleibt es bei einem gelegentlichen Gebrauch entsprechender Geräte (die keiner weiteren Erlaubnispflicht unterliegen), kann ein entstandener Schaden über die Haftpflichtpolice versicherbar sein.
Da sich die hier gemachten Aussagen im Wesentlichen an den Informationen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft orientieren und sich auf die Muster-AHB bzw. die Muster-Bedingungsstruktur IX berufen, sind in der Praxis Abweichungen einzelner Versicherungsbedingungen möglich. Haushalten ist daher anzuraten, das Kleingedruckte im Auge zu behalten, wenn es um die Entscheidung für oder gegen einen Haftpflichttarif geht. So präzisieren einige Gesellschaften den Geltungsbereich ihrer Haftpflichtversicherung etwa im Rahmen der Nutzung von Aufsitzmähern, Golfwagen usw. Ein Versicherungsschutz kann für diese Kraftfahrzeuge gegeben sein, wenn sie nicht auf öffentlichen Straßen bewegt werden.
Ist der Versicherungsschutz immer an Höchstgeschwindigkeiten gebunden?
Betrachtet man die Bedingungen zum Geltungsbereich der Haftpflichtversicherung, entsteht der Eindruck, für Kraftfahrzeuge ist immer die Höchstgeschwindigkeit ausschlaggebend. Ein Umstand, der so nicht ganz richtig ist. Denn Ziff. 3.2. der Muster-Bedingungsstruktur IX des GDV lässt eine große Ausnahme zu – das Bewegen von Kraftfahrzeugen und deren Anhängern abseits öffentlicher Wege und Straßen. Hier macht der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft keine weiteren Einschränkungen oder Aussagen zur Höchstgeschwindigkeit – sie spielt in diesem Zusammenhang offensichtlich keine Rolle.
Wichtig: Abseits der Musterbedingungen des GDV genießen die Versicherer weitreichende gestalterische Freiheiten in Bezug auf Versicherungsbedingungen und Risikobeschreibungen. Im Bereich der Deckung von Kraftfahrzeugschäden kann dies dazu führen, dass in den Besonderen Bedingungen zu einzelnen Bereichen der genaue Geltungsbereich einer Haftpflichtversicherung individuell ausgestaltet werden kann. Dies betrifft zum Beispiel die Absicherung eines Versicherungsnehmers gegen Ansprüche aus einem Kfz-Schaden in seiner Funktion als Bauherr, was in vielen Gesellschaften im Rahmen unterschiedlich hoher Deckungssummen versichert wird.
Versicherer | Versicherungsbedingungen | versicherte Fahrzeuge |
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HUK Coburg | RBH-Nr. 01/0711 Privathaftpflicht-Versicherung | – nicht versicherungspflichtige Luftfahrzeuge – Wassersportfahrzeuge (ohne eigene Segelboote, Windsurfbretter und motorgetriebene Wassersportfahrzeuge) – ausschließlich auf nicht öffentlichen Wegen verkehrende Anhänger – auf nicht öffentlichen Wegen verkehrende Kinderfahrzeuge, Aufsitzmäher & Golfwagen – nicht zum Aufsitzen geeignete Modellfahrzeuge – Kfz mit weniger als 6 km/h Höchst-geschwindigkeit – selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit weniger als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit |
CosmosDirekt | Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privat-Haftpflichtversicherung VWH 800 A (09.10) | – Kfz mit weniger als 6 km/h Höchst-geschwindigkeit (ohne Baumaschinen) – selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit weniger als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit (ohne Baumaschinen) – Flugmodelle, unbemannte Ballone/Drachen ohne Motor und Treibsatz mit weniger als 5 kg Fluggewicht (sofern keine Versicherungspflicht besteht) – Wassersportfahrzeuge ohne eigene Segelboote, Surfbretter und motorgetriebene Wassersportfahrzeuge (bis zu 3 eigene Surfbretter im Comfortschutz) – bis zu 3 ferngelenkte Modelle (Wasser- und Landfahrzeug; nur Comfortschutz) |
Janitos | Besondere Bedingungen und Risiko-beschreibungen (BBR) zur Familien-Privathaftpflichtversicherung Balance 2010 (Stand 01.04.2010) | – ausschließlich auf nicht öffentlichen Wegen verkehrende Kfz-Anhänger und Kfz ohne Rücksicht auf deren Höchstgeschwindigkeit – nicht versicherungspflichtige Anhänger – Kfz mit weniger als 6 km/h Höchst-geschwindigkeit – selbstfahrende Arbeitsmaschinen mit weniger als 20 km/h Höchstgeschwindigkeit – nicht selbstfahrende Arbeitsmaschinen – Golfwagen mit nicht mehr als 6 km/h Höchst-geschwindigkeit – eigene und fremde Wassersportfahrzeuge ohne Motor (außer eigene Segelboote & Windsurfbretter) – ferngesteuerte Land- und Wassermodelle – versicherungspflichtige Fluggeräte ohne Motoren oder Treibsätze mit einem Fluggewicht von unter 5 kg – nicht versicherungspflichtige Fluggeräte ohne Motoren |
Zufällig ausgewählte Beispiele zu den unterschiedlichen Geltungsbereichen einzelner Versicherungsgesellschaften bezüglich der Absicherung von Kraft-, Wassersport- und Luftfahrzeugen in der Privathaftpflichtversicherung (Stand: April 2013)