Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az. 4 U 26/14): Verzögerte Schadensregulierung durch Haftpflichtversicherung rechtfertigt Erhöhung des Schmerzensgeldes
Viele Menschen, die schon einmal Erfahrungen mit der Leistungsauszahlung durch eine Versicherung machen mussten, kennen das Problem: Die Beiträge werden in schöner Regelmäßigkeit gefordert – und wehe, der Versicherte hält sich nicht an die Zahlungsfristen. Geht es aber um die Leistungsgewährung, machen die Versicherer ihren Kunden oft Probleme.
Stichwort „verzögerte Schadensregulierung“: Oftmals entstehen dem Bezugsberechtigten Probleme dadurch, dass die Versicherung die Regulierung des Schadens zu lange hinauszögert.
Da werden Gutachten in Auftrag gegeben, Sachverständige bestellt und Gerichtsverhandlungen angesetzt. Doch wie lange muss sich der Geschädigte das gefallen lassen? Und steht ihm beispielsweise ein höheres Schmerzensgeld zu, wenn die Versicherung die Regulierung zu lange hinauszögert?
Genau um diese Fragen ging es ihn einem Gerichtsprozess, der vor dem OLG Saarbrücken geführt wurde. Folgender Sachverhalt stand zur Verhandlung:
Schwere Brüche und Quetschungen rechtfertigen Schmerzensgeld
Durch einen unverschuldeten Unfall erlitt einen 39-jähriger Autofahrer schwere Verletzungen, unter anderem einen Beckenbruch sowie diverse weitere Knochenbrüche, zum Beispiel einen Bruch der Augenhöhle, des Nasenbeins sowie am linken Unterarm. Zusätzlich kam es zu einer Lungenquetschung und einem erheblichen Schleudertrauma.
Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers zahlte für diese Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 11.000 Euro an den Geschädigten, nachdem man sich zunächst außergerichtlich geeinigt hatte. Dem Geschädigten erschien dieses Schmerzensgeld als zu gering, er forderte im weiteren Verlauf von der gegnerischen Versicherung eine Erhöhung. Die Versicherung sah sich damit nicht einverstanden, weshalb der Geschädigte Klage erhob.
Erstinstanzliche Höhe des Schmerzensgeldes zu gering
Der Fall wurde zunächst vor dem Landgericht Saarbrücken verhandelt. Hier folgte das Gericht den Ausführungen des Unfallgeschädigten und sprach diesem ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 14.000 Euro zu, so dass sich daraus ein Gesamtbetrag von rund 25.000 Euro ergab.
Doch auch damit gab sich der Geschädigte nicht zufrieden und legte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Köln ein. In nächster Instanz ging der Fall vor das Oberlandesgericht Saarbrücken. Auch hier entschieden die Richter zu Gunsten des Geschädigten und hoben damit die Entscheidung der Vorinstanz auf.
Das OLG stellte fest, dass dem Unfallgeschädigten gemäß Paragraph 11 BGB insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000 Euro zugestanden habe. Abzüglich des bereits gezahlten Betrages in Höhe von 11.000 Euro und dem zusätzlichen Schmerzensgeld in Höhe von 14.000 Euro, das ihm vom Landgericht Saarbrücken zugesprochen wurde, verurteilte das OLG die Versicherung des Unfallverursachers, dem Geschädigten weitere 10.000 Euro zu zahlen.
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigte das Gericht neben den direkten Verletzungen auch die langfristigen Folgen des Unfalls. Diese bestanden beispielsweise aus einer eingeschränkten Bewegungsfähigkeit sowie einer Verhärtung der Muskulatur sowohl im Beckenbereich als auch im Bereich des gebrochenen Unterarms.
Erhebliche Einschränkung der täglichen Lebensqualität
Um die Verletzungen ausreichend behandeln zu können, musste der Geschädigte zunächst für 21 Tage in einer stationären Behandlung im Krankenhaus verweilen, und anschließend für die Dauer von zwei Monaten eine teilstationäre Rehabilitationsmaßnahme absolvieren.
Danach folgten diverse ambulante krankengymnastische Behandlungen. Das Gericht stellte fest, dass der Geschädigte eine merkliche Beeinträchtigung seiner täglichen Lebensqualität auf unbestimmte Zeit nach dem Unfall hinnehmen müsse.
In der Folge nannten die Richter weitere Begründungen dafür, dass das Schmerzensgeld auf insgesamt 35.000 Euro erhöht wurde. Hier nannte das Gericht zunächst die grobe Fahrlässigkeit des Unfallverursachers, welche für sich bereits eine Erhöhung des Schmerzensgeldes rechtfertige.
Verzögerung durch Versicherung führt zu höherem Schmerzensgeld
Hinzu komme allerdings noch, dass die gegnerische Haftpflichtversicherung ein deutlich verzögertes und für den Geschädigten erschwerendes Regulierungsverhalten an den Tag gelegt habe. Die Versicherung habe sich einem erkennbar begründeten Schmerzensgeldanspruch des Geschädigten ohne konkrete Begründung widersetzt, was eine zusätzliche Belastung für das Unfallopfer bedeute. Auch dieser Umstand müsse bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden, so die Richter.
Wie sich an diesem Urteil erkennen lässt, zählen für die Gerichte in Deutschland hinsichtlich der Bemessung von Schmerzensgeldern nicht nur Fakten wie die Schwere der Verletzungen sowie eventuelle Spätfolgen, die für den Geschädigten zurückbleiben können, sondern auch das konkrete Verhalten der Versicherung bei der Regulierung.
Das Urteil könnte damit insofern richtungsweisend sein, dass auch andere Unfallopfer sich in Zukunft darauf berufen können und bei unbegründetem Verzögern der Schadensregulierung eine Erhöhung ihres Schmerzensgeldes vor Gericht erwirken können.